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Die „Thier-Arzney-Schule“ – eine zuvor unbekannte Bauaufgabe

Schon Friedrich II. („der Große“) hatte sich Ende der 1760er Jahre darum bemüht, erstmals in Preußen eine „École vétérinaire“ zu begründen, um mit wissenschaftlichen Methoden den grassierenden Viehseuchen im Land besser begegnen zu können. 1770 aber wurde das Vorhaben aus Kostengründen zunächst wieder verworfen.

Erst unter seinem Nachfolger Friedrich Wilhelm II. konnte 1789 der Bau der „Thier-Arzney-Schule“ tatsächlich angegangen werden. Verantwortlich dafür zeichnete der im Vorjahr zum Leiter des Oberhofbauamtes berufene Carl Gotthard Langhans – ein Architekt, der zur selben Zeit bereits auch mit dem Bau des Brandenburger Tors befasst war.

Langhans‘ Entwurf ist im Grundriss bestimmt durch ein Quadrat, dessen Außenseiten durch Risalite gegliedert sind. Das Zentrum bildet der als Rotunde angelegte und durch eine Rippenkuppel mit Oberlicht überdeckte Anatomiesaal.

Die „Thier-Arzney-Schule“ – eine zuvor unbekannte Bauaufgabe

Schon Friedrich II. („der Große“) hatte sich Ende der 1760er Jahre darum bemüht, erstmals in Preußen eine „École vétérinaire“ zu begründen, um mit wissenschaftlichen Methoden den grassierenden Viehseuchen im Land besser begegnen zu können. 1770 aber wurde das Vorhaben aus Kostengründen zunächst wieder verworfen.

Erst unter seinem Nachfolger Friedrich Wilhelm II. konnte 1789 der Bau der „Thier-Arzney-Schule“ tatsächlich angegangen werden. Verantwortlich dafür zeichnete der im Vorjahr zum Leiter des Oberhofbauamtes berufene Carl Gotthard Langhans – ein Architekt, der zur selben Zeit bereits auch mit dem Bau des Brandenburger Tors befasst war.

Langhans‘ Entwurf ist im Grundriss bestimmt durch ein Quadrat, dessen Außenseiten durch Risalite gegliedert sind. Das Zentrum bildet der als Rotunde angelegte und durch eine Rippenkuppel mit Oberlicht überdeckte Anatomiesaal.

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Das Konzept der „Bohlendächer“

Für die Ausführung der Rippenkuppel griff Langhans auf ein Konzept zurück, das bereits im 16. Jahrhundert von dem französischen Hofarchitekten Philibert de l’Orme (1514–77) entwickelt und engagiert propagiert worden war.

Bei diesen im Deutschen so genannten „Bohlendächern“ bestanden die Dachsparren oder Kuppelrippen aus zwei oder drei Lagen hochkant stehender Bohlen; sie liefen aber nicht über die gesamte Länge durch, sondern waren mit versetzten Stößen jeweils aus mehreren kurzen Stücken zusammengesetzt. In Querrichtung wurden sie durch verkeilte Riegel verbunden und gesichert. Die Bohlendächer ließen sich ohne alle weiteren Verstrebungen oder eingestellten Dachwerke errichten – seinerzeit in Frankreich und Italien und am Ende des 18. Jahrhunderts dann in Preußen eine bautechnische Revolution!

Das Konzept versprach im Vergleich mit herkömmlichen Dachtragwerken eine erhebliche Holz- und Kostenersparnis: Zum einen entfiel der eingestellte Dachstuhl, zum anderen wurden für die Sparren oder Rippen lediglich kurze und damit preiswerte Bohlenstücke benötigt. Dass sich die versprochenen Vorteile im Ganzen gesehen dann doch nicht unbedingt einstellen wollten, sollte man erst Jahrzehnte später erkennen.

Das Konzept der „Bohlendächer“

Für die Ausführung der Rippenkuppel griff Langhans auf ein Konzept zurück, das bereits im 16. Jahrhundert von dem französischen Hofarchitekten Philibert de l’Orme (1514–77) entwickelt und engagiert propagiert worden war.

Bei diesen im Deutschen so genannten „Bohlendächern“ bestanden die Dachsparren oder Kuppelrippen aus zwei oder drei Lagen hochkant stehender Bohlen; sie liefen aber nicht über die gesamte Länge durch, sondern waren mit versetzten Stößen jeweils aus mehreren kurzen Stücken zusammengesetzt. In Querrichtung wurden sie durch verkeilte Riegel verbunden und gesichert. Die Bohlendächer ließen sich ohne alle weiteren Verstrebungen oder eingestellten Dachwerke errichten – seinerzeit in Frankreich und Italien und am Ende des 18. Jahrhunderts dann in Preußen eine bautechnische Revolution!

Das Konzept versprach im Vergleich mit herkömmlichen Dachtragwerken eine erhebliche Holz- und Kostenersparnis: Zum einen entfiel der eingestellte Dachstuhl, zum anderen wurden für die Sparren oder Rippen lediglich kurze und damit preiswerte Bohlenstücke benötigt. Dass sich die versprochenen Vorteile im Ganzen gesehen dann doch nicht unbedingt einstellen wollten, sollte man erst Jahrzehnte später erkennen.

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Die Bohlenkuppel über dem Anatomiesaal

Über dem Anatomiesaal besteht das Kuppeltragwerk aus 40 radial angeordneten Rippen, die eine Halbkugel von gut 13 m lichter Weite bilden. Acht der Rippen sind nicht bis zum Fußring geführt, sondern enden bereits in Wechseln über den Fenstern. Durch kräftige Aufschieblinge über den Rippen ist die äußere Dachlinie wesentlich flacher als der das Innere bestimmende (Fast-)Halbkreis. Gemäß dem de l’Orme’schen Konzept sind sowohl die Rippen als auch die Aufschieblinge aus mehreren Lagen stehender Bohlen zusammengesetzt.

Nach ihrer Vollendung fand die aus heutiger Sicht eher bescheidene Kuppel außerordentliche Beachtung. Das „Kuppeldach ganz ohne Dachstuhl und überhaupt ohne alle Balken und Sparren“ war selbst der 1796 erschienenen „Beschreibung einer Reise durch Deutschland und die Schweiz“ des Friedrich Nicolai eine Würdigung wert.

Die Bohlenkuppel über dem Anatomiesaal

Über dem Anatomiesaal besteht das Kuppeltragwerk aus 40 radial angeordneten Rippen, die eine Halbkugel von gut 13 m lichter Weite bilden. Acht der Rippen sind nicht bis zum Fußring geführt, sondern enden bereits in Wechseln über den Fenstern. Durch kräftige Aufschieblinge über den Rippen ist die äußere Dachlinie wesentlich flacher als der das Innere bestimmende (Fast-)Halbkreis. Gemäß dem de l’Orme’schen Konzept sind sowohl die Rippen als auch die Aufschieblinge aus mehreren Lagen stehender Bohlen zusammengesetzt.

Nach ihrer Vollendung fand die aus heutiger Sicht eher bescheidene Kuppel außerordentliche Beachtung. Das „Kuppeldach ganz ohne Dachstuhl und überhaupt ohne alle Balken und Sparren“ war selbst der 1796 erschienenen „Beschreibung einer Reise durch Deutschland und die Schweiz“ des Friedrich Nicolai eine Würdigung wert.

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Um 1878: Ein erheblicher Teil des Tragwerks muss ersetzt werden

Seit seiner Errichtung hat der Berliner Pionierbau mehrmals größere Sanierungen und Reparaturen erforderlich gemacht. Problematische bauphysikalische Eigenheiten, die schwierige doppelt gekrümmte Abdichtung oder auch Spritzwasser am aufgehenden Tambour hinter den Auflagertaschen der Rippen führten zu Durchfeuchtungen und daraus resultierenden Pilz- und Fäulnisschäden.

Im Vorfeld der jüngsten Grundinstandsetzung untersuchte das Büro David Hoolly-Bauforschung, Berlin, um 2008 erstmals systematisch den Bestand des Kuppeltragwerks. Sie führte im Ergebnis zu einer belastbaren Rekonstruktion der Sanierungsgeschichte und Bauphasen-Kartierungen für jedes einzelne Gebinde.

Demnach erfolgte der weitreichendste Eingriff bereits um 1878. Unter anderem wurden dabei in der Nordhälfte der Kuppel viele Rippen weitgehend erneuert. Die Abbildungen zeigen am Beispiel der besonders geschädigten Gebinde 26 und 28 den Umfang des Ersatzes (grün) sowie die teilweise Nutzung noch erhaltener Bohlenstücke für den Wiederaufbau der Aufschieblinge (orange).

Um 1878: Ein erheblicher Teil des Tragwerks muss ersetzt werden

Seit seiner Errichtung hat der Berliner Pionierbau mehrmals größere Sanierungen und Reparaturen erforderlich gemacht. Problematische bauphysikalische Eigenheiten, die schwierige doppelt gekrümmte Abdichtung oder auch Spritzwasser am aufgehenden Tambour hinter den Auflagertaschen der Rippen führten zu Durchfeuchtungen und daraus resultierenden Pilz- und Fäulnisschäden.

Im Vorfeld der jüngsten Grundinstandsetzung untersuchte das Büro David Hoolly-Bauforschung, Berlin, um 2008 erstmals systematisch den Bestand des Kuppeltragwerks. Sie führte im Ergebnis zu einer belastbaren Rekonstruktion der Sanierungsgeschichte und Bauphasen-Kartierungen für jedes einzelne Gebinde.

Demnach erfolgte der weitreichendste Eingriff bereits um 1878. Unter anderem wurden dabei in der Nordhälfte der Kuppel viele Rippen weitgehend erneuert. Die Abbildungen zeigen am Beispiel der besonders geschädigten Gebinde 26 und 28 den Umfang des Ersatzes (grün) sowie die teilweise Nutzung noch erhaltener Bohlenstücke für den Wiederaufbau der Aufschieblinge (orange).

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Nach 1945: Reparaturen der Kriegsschäden

Im 2. Weltkrieg erlitten Teile des Gebäudes erhebliche Zerstörungen. In der Kuppel blieben sie jedoch vergleichsweise überschaubar. Allerdings führte in der Folge eindringendes Wasser zu größeren Schäden; hinzu kam, dass der Bestand vermutlich auch hier bereits durch ältere Durchfeuchtungen beeinträchtigt war.

Die schon bald nach Kriegsende veranlassten Reparaturen führten zu weiteren Verlusten an Originalsubstanz. Die beiden Abbildungen zeigen den Nachkriegsersatz (blau) an zwei besonders stark betroffenen Gebinden.

Nach 1945: Reparaturen der Kriegsschäden

Im 2. Weltkrieg erlitten Teile des Gebäudes erhebliche Zerstörungen. In der Kuppel blieben sie jedoch vergleichsweise überschaubar. Allerdings führte in der Folge eindringendes Wasser zu größeren Schäden; hinzu kam, dass der Bestand vermutlich auch hier bereits durch ältere Durchfeuchtungen beeinträchtigt war.

Die schon bald nach Kriegsende veranlassten Reparaturen führten zu weiteren Verlusten an Originalsubstanz. Die beiden Abbildungen zeigen den Nachkriegsersatz (blau) an zwei besonders stark betroffenen Gebinden.

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2003 bis 2012: Grundinstandsetzung und Ertüchtigung

2003-12 erfolgte eine umfassende Grundinstandsetzung des Gebäudes, die mit umfassenden Restaurierungs- und Rekonstruktionsmaßnahmen, der Ertüchtigung des Tragwerks, einem kompletten Ersatz der Haustechnik und weiteren Anpassungen verbunden war. Als Architekten trugen THOMAS MÜLLER IVAN REIMANN ARCHITEKTEN die Verantwortung, die Tragwerksplanung übernahm das Ingenieurbüro Rüdiger Jockwer, Berlin.

Für die Kuppel erarbeiteten die Planer nach umfangreichen Voruntersuchungen und in enger Abstimmung mit der Denkmalpflege ein Konzept, das auf eine neuerliche Ertüchtigung des historischen Tragwerks verzichtete. An seiner statt übernimmt eine neue Rippenkonstruktion aus verleimtem Brettschichtholz den Lastabtrag. Der überkommene Bestand konnte so nach einer aufwendigen Schwammsanierung und kleineren örtlichen Eingriffen (wie etwa an den zuvor eingemauerten Teilen) ohne weitere größere Substanzverluste erhalten bleiben. Er gilt heute als die älteste zumindest in Teilen noch erhaltene Bohlenbinder-Konstruktion Deutschlands.

Seit Abschluss der Baumaßnahmen dient das insgesamt vorbildlich revitalisierte Tieranatomische Theater der Humboldt-Universität als Ausstellungs- und Veranstaltungsgebäude des Hermann von Helmholtz-Zentrums für Kulturtechnik (HZK).

2003 bis 2012: Grundinstandsetzung und Ertüchtigung

2003-12 erfolgte eine umfassende Grundinstandsetzung des Gebäudes, die mit umfassenden Restaurierungs- und Rekonstruktionsmaßnahmen, der Ertüchtigung des Tragwerks, einem kompletten Ersatz der Haustechnik und weiteren Anpassungen verbunden war. Als Architekten trugen THOMAS MÜLLER IVAN REIMANN ARCHITEKTEN die Verantwortung, die Tragwerksplanung übernahm das Ingenieurbüro Rüdiger Jockwer, Berlin.

Für die Kuppel erarbeiteten die Planer nach umfangreichen Voruntersuchungen und in enger Abstimmung mit der Denkmalpflege ein Konzept, das auf eine neuerliche Ertüchtigung des historischen Tragwerks verzichtete. An seiner statt übernimmt eine neue Rippenkonstruktion aus verleimtem Brettschichtholz den Lastabtrag. Der überkommene Bestand konnte so nach einer aufwendigen Schwammsanierung und kleineren örtlichen Eingriffen (wie etwa an den zuvor eingemauerten Teilen) ohne weitere größere Substanzverluste erhalten bleiben. Er gilt heute als die älteste zumindest in Teilen noch erhaltene Bohlenbinder-Konstruktion Deutschlands.

Seit Abschluss der Baumaßnahmen dient das insgesamt vorbildlich revitalisierte Tieranatomische Theater der Humboldt-Universität als Ausstellungs- und Veranstaltungsgebäude des Hermann von Helmholtz-Zentrums für Kulturtechnik (HZK).

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Zur Tragwerksplanung der Bohlenkuppel

Der in Schlesien geborene Carl Gotthard Langhans (1732-1808) siedelte 1786 mit seiner Familie nach Berlin über, wo ihn Friedrich Wilhelm II. 1788 zum Direktor des neu gegründeten Oberhofbauamtes ernannte. Seine letzten Lebensjahre verbrachte er wieder in Breslau.

Langhans gilt in Preußen als führender Protagonist des Übergangs vom Rokoko zum frühen Klassizismus. Als Baumeister im besten Sinne verstand er Konstruktion dabei als inhärenten Bestandteil der neuartigen Architektur. Engagiert nutzte er die neuesten Bautechniken seiner Zeit. Geradezu exemplarisch stehen dafür neben dem Brandenburger Tor das Tieranatomische Theater und seine Rippenkuppel, mit der Langhans die Bohlendach-Bauweise in Preußen einführte. In der Folge griff er das Konzept in zahlreichen weiteren Entwürfen und Ausführungen auf. Den Schlusspunkt setzte das gewaltige Bohlendach über seinem letzten großen Bauvorhaben, dem „Nationaltheater“ am Gendarmenmarkt (1800-03).

Als Bauleiter wird im Übrigen der Bauinspektor im Oberhofbauamt Carl Samuel Held (1766–1845) genannt. Vermutlich war er schlicht zu jung, um Einfluss auf den Tragwerksentwurf zu nehmen. Ein Jahrzehnt später sollte er freilich als Stadtbaumeister mit dem von ihm verantworteten dortigen Theater das Bohlendach in Danzig einführen.

Zur Tragwerksplanung der Bohlenkuppel

Der in Schlesien geborene Carl Gotthard Langhans (1732-1808) siedelte 1786 mit seiner Familie nach Berlin über, wo ihn Friedrich Wilhelm II. 1788 zum Direktor des neu gegründeten Oberhofbauamtes ernannte. Seine letzten Lebensjahre verbrachte er wieder in Breslau. Langhans gilt in Preußen als führender Protagonist des Übergangs vom Rokoko zum frühen Klassizismus. Als Baumeister im besten Sinne verstand er Konstruktion dabei als inhärenten Bestandteil der neuartigen Architektur. Engagiert nutzte er die neuesten Bautechniken seiner Zeit. Geradezu exemplarisch stehen dafür neben dem Brandenburger Tor das Tieranatomische Theater und seine Rippenkuppel, mit der Langhans die Bohlendach-Bauweise in Preußen einführte. In der Folge griff er das Konzept in zahlreichen weiteren Entwürfen und Ausführungen auf. Den Schlusspunkt setzte das gewaltige Bohlendach über seinem letzten großen Bauvorhaben, dem „Nationaltheater“ am Gendarmenmarkt (1800-03).

Als Bauleiter wird im Übrigen der Bauinspektor im Oberhofbauamt Carl Samuel Held (1766–1845) genannt. Vermutlich war er schlicht zu jung, um Einfluss auf den Tragwerksentwurf zu nehmen. Ein Jahrzehnt später sollte er freilich als Stadtbaumeister mit dem von ihm verantworteten dortigen Theater das Bohlendach in Danzig einführen.

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Kenndaten

Lage: Luisenstraße 56, 10117 Berlin-Mitte

Bauzeit: 1789/90

Gestaltung und Tragwerksplanung: Carl Gotthard Langhans

Bauleitung: Carl Samuel Held

Der Verfasser dankt Herrn Ingo Dreger, Kleinmachnow, und dem Büro David Hoolly-Bauforschung, Berlin, für die freundlicherweise bereitgestellten Unterlagen zur Bauforschung und Grundinstandsetzung 2003-2012.

Kenndaten

Lage: Luisenstraße 56, 10117 Berlin-Mitte

Bauzeit: 1789/90

Gestaltung und Tragwerksplanung: Carl Gotthard Langhans

Bauleitung: Carl Samuel Held

Der Verfasser dankt Herrn Ingo Dreger, Kleinmachnow, und dem Büro David Hoolly-Bauforschung, Berlin, für die freundlicherweise bereitgestellten Unterlagen zur Bauforschung und Grundinstandsetzung 2003-2012.

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